Die Kinder

"Das Kind hat 100 Sprachen - davon nehmen wir ihm 99."
Loris Malaguzzi

Es gibt Tageseinrichtungen für Krippenkinder (3 Monate bis 3 Jahre) und für Kindergartenkinder (3 bis 6 Jahre). In altersgleichen Gruppen werden die Kinder zu je 25 von zwei Erzieherinnen betreut. Der oder die Werkstattleiterin, Sonderpädagogen und der Puppenspieler kommen hinzu. Für die im folgenden zu beschreibende Projektarbeit, das Herzstück der Reggio-Pädagogik, sind altershomogene Gruppen sinnvoller als altersgemischte.

Die Kinder in Reggio sind einander von klein auf vertraut und sind gewöhnt, in regelmäßigen Kinderkonferenzen ihre Gedanken und Wünsche auszutauschen. Sie zeichnen sich durch ein großes Selbstbewusstsein aus, was auch dazu beiträgt, dass Konflikte friedlich gelöst werden können. Ein ängstliches Kind neigt dagegen aus Hilflosigkeit eher zur Gewalt. Die Lehrer/innen der Grundschule bestätigen uns, dass unsere Kinder später in der Schule durch diese selbstbewusste Art, Konflikte konstruktiv zu lösen, auffallen.

In den Kinderparlamenten werden viele Projektideen geboren. So erzählte ein Kind vom Wochenende und erwähnte eine große "Menschenmenge" - dieses Stichwort faszinierte die Kinder derart, dass alle von ihren Erfahrungen berichteten und daraufhin in einem mehrwöchigen Projekt Menschenmengen malten, aus Ton formten und auf dem Marktplatz in der Innenstadt aufsuchten. Sieht man die Resultate solcher Projekte, kann man kaum glauben, dass bereits kleine Kinder derart phantasie- und kunstvoll gestalten können. Hier ist ein wichtiger Grundsatz berührt: Es geht beim Arbeiten der Kinder nicht um das Ergebnis, sondern um den Prozess der Gestaltung. Deshalb fertigen die Kinder keine gezielten Bastelarbeiten nach Vorgaben der Erzieherinnen an. Es gibt also nicht 25 fast gleiche Laternen und auch auf "nette" Geschenke, die vorgezeichnet und dann akkurat ausgeschnitten wurden, müssen die Eltern verzichten.

In der Reggio-Pädagogik geht man davon aus, dass Kinder kompetente Forscher und Entdecker sind, die durch die kreative Gestaltung mit ihrer Umwelt "flirten" und dieselbe erobern. Anders als in der Montessori-Pädagogik gibt es keine vorgefertigten und didaktisierten Lernmaterialien, mit denen man seitens des Erwachsenen gezielt versucht, bestimmte, meist kognitive Fähigkeiten der Kinder zu fördern.

Die Erwachsenen haben kein festes Bild von der Entwicklung des Kindes. Das Bild vom Kind ist gekennzeichnet durch Reichtum und Kompetenz, Kreativität und der Fähigkeit, die eigene Persönlichkeit und Identität zu entwickeln. Deshalb kommt dem Beobachten der Kinder sowie der Dokumentation ihrer Arbeitsprozesse große Bedeutung zu: Auch die Erzieherinnen verstehen sich als Forscherinnen, die sich laufend untereinander und mit einer wissenschaftlichen Begleitung über ihre Beobachtungen verständigen.