Der Raum als dritter Erzieher

Besucher berichten, dass beim Betreten einer Reggio-Tagesstätte zweierlei sofort auffällt:

  • zum einen sind die Räumlichkeiten so schön und einladend,
    dass man auch als Erwachsener sofort geneigt ist, Platz zu nehmen
  • zum anderen ist es ausgesprochen ruhig, da die Kinder weitgehend selbständig
    mit Material arbeiten.

Es wird auf jede Art von Dekoration verzichtet, wie wir sie aus Kindergärten kennen; vielmehr finden sich überall "Schätze", die im Laufe der Zeit zusammengetragen wurden: ob dies Alltagsgegenstände, alte Möbel oder Kunstdrucke sind - die Kinder sollen in die Kultur und die Geschichte ihres Landes hineinwachsen. Dinge, die für "kindgerecht" gehalten werden, gibt es nicht. Man trennt bewusst nicht zwischen der Außenwelt und der Welt im Kindergarten beziehungsweise der Schule.

Die Kinder haben jederzeit Zugang zu den Materialien, zu Farben, Muscheln, Steinchen, Vexierspiegeln, Ton und Klangkörpern - kurz: zu allem, was die Sinne anregt; ebenso zu Leuchttischen und Mikroskopen - mithin auch zu allem, was das Entdeckerherz höherschlagen lässt. Anders als in der Montessori-Pädagogik sind die Materialien nicht didaktisiert, da es nicht darum geht, bestimmte Tätigkeiten zu steuern. Auf Ordnung und sorgsamen Umgang mit Materialien und Räumen wird großer Wert gelegt, da ein solch freies, in Teilen manchmal auch kostbares Angebot anders nicht aufrechtzuerhalten ist. Die Kinder sollen sich wohl und sicher fühlen und durch die Bereitstellung verschiedener Materialien zur spielerischen Entfaltung ihrer Potenziale vielseitig angeregt werden.

Jede Tagesstätte verfügt über ein Atelier, in dem die Kinder an Staffelein mit Farben arbeiten, mit Ton modellieren oder anderen Materialien arbeiten können. Eine "Artelierista", eine Kunstpädagogin, ergänzt das Erzieherinnen-Team. Sie leitet das Atelier, das wie eine große Werkstatt eingerichtet ist, und betreut die Arbeit der Kinder. In Reggio heißen die Tagesstätten "Schulen der Kindheit".